Neulich im Jazzkeller …

Am Mittwoch war es im Jazzkeller wieder brechend voll. Eigentlich schon zu voll. Zumindest aber zu laut. Aber ich finde es phantastisch, dass der Jazzkeller an manchen Tagen noch so gut und vor allem bunt gemischt besucht ist wie zu seinen Glanzzeiten in den Jahren, als Frankfurt noch den inoffiziellen Ehrentitel „Jazzhauptstadt der Republik“ trug.
Diese Jahre sind schon lange vorbei – Wolfgang Sandner in einem Artikel für die FAZ (erschienen letzte Woche, am 19.1.) recht zutreffend das Dilemma und die verpassten Chancen Frankfurts zusammengefasst. Und spricht damit vielen aus der Jazzszene aus dem Herzen. Noch vor zwanzig Jahren war Frankfurt eine Stadt, die immer wieder den Zuzug interessanter junger Jazzmusiker zu verzeichnen hatte. Heute ziehen die meisten Nachwuchsmusiker weg – zum studieren gehen sie nach Mannheim, Köln, Berlin – selbst die „kleinen“ Nachbarstädte wie Würzburg oder Mainz haben angehenden Musikern inzwischen mehr zu bieten als Frankfurt. Darin wird ein tiefgreifender Strukturwandel deutlich: die Verhochschulung des Jazz. Noch vor dreißig Jahren waren die Möglichkeiten, Jazz zu studieren, recht überschaubar. In der Regel gingen die Leute ins Ausland, nach Hilversum, Bern, Graz oder gleich in die USA. Jazz studiert zu haben war ein nice-to-have, aber keine Selbstverständlichkeit unter den Profis. Dann sprossen plötzlich auch in Deutschland die Jazz-Fachbereiche aus dem Boden. Frankfurt wäre hier prädestiniert gewesen, eine Vorreiterrolle zu spielen: immerhin gab es bereits 1927 eine Jazzklasse am Dr. Hoch’schen Konservatorium (der freilich bald durch die Nazis ein Ende bereitet wurde). Aber die HfmdK sprang erst spät und dann auch nur halbherzig mit Jazz-Aufbaustudiengängen für angehende Musiklehrer auf den Zug auf. Mit etwas Neid blickt man deswegen heute aus Frankfurt auf Städte wie das nahe Mannheim, deren Jazzszene in den letzten zwanzig Jahren so viel an Lebendigkeit gewonnen hat – seit dort Jazz studiert werden kann. Nun kann man die Verhochschulung des Jazz zu Recht auch sehr kritisch sehen. Die Entwicklung des Jazz war bereits abgeschlossen, als er Eingang an die Hochschulen fand. Der Jazz kann also auch hervorragend ohne universitären Überbau existieren. Und die Auftrittsmöglichkeiten für Jazzmusiker werden immer weniger. Die Möglichkeit, seine Fähigkeiten on-the-job zu erlernen, wie es früher üblich war, gibt es heute kaum noch. Aber braucht unsere Gesellschaft so viele ausgebildete Jazzmusiker, wie sie die Hochschulen hervorbringen? Wo sollen die denn alle auftreten? 
Die meisten Jazzmusiker sind deswegen schon heute nur Nebenerwerbs-Jazzer, die nur einen kleinen Teil ihres Einkommens mit Auftritten verdienen. Unterrichtstätigkeit, Theaterjobs oder musikferne Tätigkeiten sichern in den meisten Fällen den Lebensunterhalt. Zu dieser veränderten Lebenswirklichkeit des Jazzmusikers passt die höhere Relevanz der Musikhochschulen dann auch wiederum.
Letzte Woche wurde bekannt, dass die Frankfurter Musikhochschule die klägliche Reste Jazz endgültig aus dem Lehrbetrieb streichen, und sich stattdessen auf so exotische Angebote wie „Barockflöte“ konzentrieren wird. Interessanterweise beruft sich die Hochschule dabei auf EU-Maßgaben aus Brüssel, wonach sie den kleingesparten Fachbereich Jazz nicht weiter subventionieren *darf*. Die Frankfurter Studenten bekommen noch nicht einmal die Möglichkeit, ihr begonnenes Studium abzuschließen. Hessen dürfte damit das einzige Bundesland sein, in dem man Jazz nicht studieren kann.

6 opinions on “Neulich im Jazzkeller …”

  1. Stimmt, die FMW gibt es, und bildet in Sachen Jazz möglicherweise umfassender aus als es die HfmdK je getan hat. Der Satz hätte also präziser lauten müssen: “Hessen dürfte damit das einzige Bundesland sein, an dessen Hochschulen und Universitäten kein Jazz studiert werden kann.” (Wobei ich mir gar nicht mal so sicher bin, ob das so stimmt. Gibt es in Schleswig-Holstein eine Jazzhochschule?)

    Über die Qualität der Ausbildung und Absolventen beider Ausbildungsstätten habe ich gar keine Aussage getroffen. Deswegen muss ich da deinem Vorwurf der Anmaßung und Beleidigung deiner Person, der Absolventen und Dozenten, ganz klar zurückweisen.
    Deine Reaktion zeigt aber auch deutlich, welches Wahrnehmungs- und Image-Problem die FMW hat bzw. hatte. Gegenüber einem an einer staatlichen Hochschule abgelegtem Abschluss ist ein FMW-Studium immer irgendwie erklärungsbedürftig: jemand, der die FMW nicht kennt, weiß u. U. gar nicht, wie er diesen Abschluss einzuschätzen hat, während bei einer staatlichen Hochschulabschluss meist irgendwie von einer gewissen Aussagekraft ausgegangen wird (unabhängig davon, ob dies gerechtfertigt ist oder nicht).
    Vielleicht ist die neu erlangte Alleinstellung der FMW ja in dieser Hinsicht förderlich.

    Ich kann dich aber in einem Punkt beruhigen: wie in anderen künstlerisch-kreativen Berufen auch ist nach Abschluss der Ausbildung zum Musiker vorrangig das entscheidend, was man abrufbereit “auf der Pfanne” hat, und nicht, welche Note im Diplomzeugnis steht. Ein Diplom verdient noch kein Geld.

  2. Lieber Jonas,

    zunächst möchte ich Dir und allen Lesern sagen, dass ich Dein Engagement für den Informationsfluss auf deiner Kontrabassseite und Deine Aufklärungsarbeit für Equipment sehr bewundere und schätze. Ich muss Dich aber in Deinen Aussagen über die Ausbildungssituation in Frankfurt entscheidend berichtigen weil sie falsch sind!
    Du schreibst wortwörtlich: „Hessen dürfte damit das einzige Bundesland sein, in dem man Jazz nicht studieren kann.“ Du bist Frankfurter Bassist, spielst in der Hausbesetzung des Jazzkellers und dürftest eigentlich einen recht guten Überblick von Jazz in Frankfurt haben. Wie kannst Du so einen Unfug schreiben? Ich glaube Du weißt genau, dass die FMW Frankfurter Musikwerkstatt seit mehreren Jahren in Frankfurt existiert, genau genommen seit 26 Jahren. Seit 1993 ist sie staatlich anerkannt, und die einzige Institution in Hessen, die ein richtiges, vollwertiges Jazzstudium ermöglicht. Ich finde die Initiativen zur Erhaltung des Weiterbildungsstudienganges an der Hochschule bemerkenswert und gut. Aber weshalb müssen die Studenten und Absolventen, die schon seit Jahren in Frankfurt erfolgreich an der FMW studieren und als Berufsmusiker und Instrumentalpädagogen arbeiten, verleugnet werden? Mit dem was Du und Sandner schreiben stellt ihr indirekt die Behauptung auf, wir hätten keine qualifizierte Ausbildung! Ihr diskreditiert damit mich, 208 Absolventen und rund 120 Studenten, ganz abgesehen von den Dozenten der FMW und der Schulleitung. Wer gibt Euch das Recht dazu? Das ist anmaßend, beleidigend und einfach unwahr.
    Mit freundlichem Gruß
    Sascha Feldmann
    Bassist und Student der FMW Frankfurter Musikwerkstatt

  3. D´accord.
    Ich erlaube mir bei der Gelegenheit, den geneigte Leser, der es ausführlicher mag, (nochmal 🙂 auf meinen Essay hinzuweisen: http://www.johannesschaedlich.de/text_akquise.html
    Es geht darin zwar vorwiegend um Marketing/Akquise, aber auch um das hier angesprochene Thema.
    So viel noch: damit´s auch schön zum Thema paßt, firmiere ich hier absichtlich nicht mit der URL meiner Home Page, sondern mit der einer Band, die weniger für den konzertanten Bereich konzipiert ist. Alles klaro?

  4. Es stellt sich auch die Frage, ob die Studenten nicht vielleicht auch sowieso auf ganz andere Dinge als das Jazzmusiker-Dasein vorbereitet werden sollten. Denn eines ist sicher unstrittig: so viele Jazzmusiker, wie die Hochschulen Jahr für Jahr hervorbringen, braucht niemand. (Was wiederum aber kein Argument gegen ein Jazzstudium als solches sein muss: es gibt ja Studienfächer, für die gibt es außerhalb der Hochschule/Uni quasi gar keinen Berufsbild, geschweige denn berechenbare Berufsaussichten.)

  5. Kann da Johannes nur zustimmen: Viele Studieninhalte, vor allem bei musikalischen Studiengängen sind so weit von dem entfernt, was einen fertigen Musiker dann in der “realen” Welte – sprich auf der Bühne erwartet.
    Meiner Meinung nach viel zu viel Theorie und viel zu wenig wirklicher Praxisbezug. Gerade im Bereich Jazz ist es ja als Berufsmusiker vor allem beim Einstieg nicht gerade leicht Geld zu verdienen. So sollten meiner Meinung nach in den Vorlesungen viel mehr Themen behandelt werden, die Musikern v.a. am Anfang der Karriere helfen können. Zum Beispiel Themen wie Home-Recording (z.B. wie man selbst gute Demos aufnehmen kann etc.) oder Musiker- / Band-Marketing oder einfach wie man eine gute Band-Probe abhalten kann…
    Gibt vieles was denke ich sinnvoller wäre für die Studenten…

  6. Das Phänomen “Ich habe etwas Interessantes studiert, was mach ich jetzt damit?” existiert generell bei vielen Studiengängen und endet meistens damit, dass man beruflich etwas macht, was nicht mehr viel mit den Studieninhalten zu tun hat. Bei manchen Studiengängen ist das schon vorprogrammiert, bei anderen entwickelt es sich erst mit der Zeit und der selbst gewählten Spezialisierung. Die Frage ist eben, inwiefern man ausschließlich seinen persönlichen Vorlieben und Interessen folgen soll, wenn es um die Ausbildung/Berufswahl geht. Letztendlich muss man oft Kompromisse eingehen – auch als Jazzmusiker.

    Abschließend noch ein Tipp: Eine nicht immer ganz ernst gemeinte, aber viel Wahres beinhaltende Typeinteilung zum Thema “Jazz studieren/ Karriere als Jazzmusiker” hat Bill Anschells in “Careers in Jazz” aufgeschrieben: http://www.billanschell.com/documents/Careers_in_jazz_002.pdf.
    Sehr bekannt von ihm ist auch der “Jazz Jam Sessions: a First-Timer’s Guide” (unter http://www.billanschell.com/ -> Stories).

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