Bassisten und das Cello im Jazz

Im Gegensatz zu seinen Verwandten Geige und Kontrabass ist das Cello in der Jazzmusik bis heute ein Exot. Zunächst war das Cello im Jazz ein Art „kleiner Kontrabass“, denn die ersten Musiker, die das Cello verwendeten, waren Jazzbassisten. Zu ihnen gehörte der Bassist Harry Babasin, der 1947 mit dem Pianisten Dodo Marmarosa erste Aufnahmen mit dem pizzicato gespielten Cello machte. Während er zunächst auch als Cellist noch in der Rolle des Bassisten blieb, nahm er bei späteren Aufnahmen einen Bassisten hinzu, um das Cello als reines Melodie- und Soloinstrument einsetzen zu können. Der Bassist Oscar Pettiford kam 1949 durch einen Armbruch, den er sich beim Baseballspiel mit Bandkollegen zugezogen hatte und der ihm das Bassspiel vorrübergehend unmöglich machte, zum körperlich weniger anspruchsvollen Cello. Zuvor hatte er das Cello bereits gelegentlich als Bassist in den Orchstern von Duke Ellington und Woody Herman eingesetzt, und es bei Basssolos anstelle des Kontrabasses verwendet. Mit kleinen Combo-Besetzungen begann er daraufhin, das Cello konsequent als Melodie- und Soloinstrument einzusetzen. 1952 kam es zu einer gemeinsamen Session der beiden „Pizzicato Jazz Cello“-Pioniere Babasin und Pettiford. Mit seinen eigenen Combos nahm Pettiford zahlreiche Platten mit dem Cello auf. Dabei übernahmen die Bassisten Charlie Mingus, Harry Babasin und Whitey Mitchell (der Bruder Red Mitchells) oder später – während seiner Zeit in Deutschland – auch Gitarrist Attila Zoller den Bass-Part. Ab 1954 bediente er sich für Aufnahmen auch der damals noch jungen Mehrspurtechnik und spielte sowohl Bass- als auch Cellopart ein.In den folgenden Jahren machten auch die Bassisten Keter Betts, Sam Jones, Percy Heath, Eldee Young und Ray Brown Aufnahmen als Cello-Solisten. Sie alle stimmten ihre Instrumente nicht wie üblich in Quinten, sondern wie vom Bass gewohnt in Quarten – nur eben eine Oktave höher. Zusammen mit Ray Brown konzipierte die Firma Kay ein Cello für Jazzbassisten, das dann unter dem Namen „Ray Brown Jazz Cello“ auf dem Markt kam. Ray Brown störte das schmale Griffbrett eines Cellos. Außerdem lässt es sich mit den Holzwirbeln eines Cellos schwierig stimmen. Deswegen baute Kay ein Cello, dass einen kräftigeren Hals und ein breiteres Griffbrett , sowie übersetzte Mechaniken anstelle der einfachen Holzwirbel hatte. Passend zum „Ray Brown Jazz Cello“ boten sie auch Cello-Saiten in Quartstimmung an.
Percy Heath kam über seinen Freund und Kollegen Ray Brown zum Cello: „Ich fragte Ray Brown: ‘Hey Ding, hast Du nicht eines dieser Teile?’ Er antwortete: ‘Ja, ich habe eines in der Garage stehen.’ Zu dieser Zeit waren alle Bassisten erst ganz versessen auf diese Celli, gaben es dann aber meist irgendwann wieder auf. Ray Brown rief mich einige Monate später, als ich gerade neben den ‘Heath Brothers’ noch was anderes machen wollte, von einem Flughafen aus an und sagte: ‘Hey P, ich schicke Dir das Teil.’ – ‘Hey Ding, danke, Mann!’. Er sagte: ‘Du musst drei Finger nehmen.’ Ich fragte: ‘Wie meinst Du das?’, aber er sagte nur ‘Du wirst es dann schon kapieren.’ und legte auf. Wenig später kam eine Kiste mit dem Cello. Ich versuchte, es zu spielen. Ich setzte mich hin, und begann, es wie einen Bass zu spielen. Da merkte ich, was Ray meinte: man kann nur drei Finger benutzen, weil das Ding so klein ist. Wenn man vier Finger benutzt, ist man ‘out of tune’. Es geht mechanisch gesehen einfach nicht.“

Bassist Ron Carter machte in den 1960er Jahren ebenfalls Aufnahmen als Cellist, bei denen George Duvivier am Bass mitwirkte. Ron Carter hatte, bevor er zum Bass wechselte, klassischen Cellounterricht genossen, und setzte sein in Quinten gestimmtes Cello auch gestrichen für Aufnahmen mit Eric Dolphy, Mal Waldron und George Benson ein. Später verwendete er einen nach seinen Wünschen gebauten „Piccolo-Bass“. Auch die Bassisten Dave Holland (mit Gitarrist Derek Bailey, sowie mit Bassist Barre Phillips, jeweils 1971), Todd Coolman und Buell Neidlinger machten Aufnahmen auf dem Cello. Mitte der 50er Jahre brachte der klassisch ausgebildete Cellist Fred Katz das gestrichene Cello in den Jazz ein. Als Mitglied im Quintett des Westcoast-Drummers Chico Hamilton war er der erste „nur-Cellist”, für den das Cello mehr als ein höher gestimmter Kontrabass war. 1958 folgte ihm Nat Gershman im Chico Hamilton Quintett nach. Mit den Cellisten des Chico Hamilton-Quartett begann das Cello stilistisch vom Kontrabass zu lösen, und zu einem eigenständigen Jazz-Instrument zu wandeln.

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