Aufruf: Initiative für einen starken Jazz in Deutschland

Eine Reihe von Jazzmusikern möchten eine Reihe von Themen nach Vorne bringen und haben dazu einen Aufruf gestartet. Zum Unterschreiben schickt einfach eine Mail z.B. mit “Ich bin dabei!” an jazzmusikeraufruf -ätt- gmail -Punkt- com …

DER AUFRUF: Initiative für einen starken Jazz in Deutschland

Jazz aus Deutschland ist lebendig, vielfältig und spannend. Er blickt auf eine jahrzehntelange Entwicklung im Land zurück, die international große und stetig wachsende Wertschätzung erfährt. Auch dank zahlreicher Musik- und Hochschulen gibt es immer mehr sehr gut ausgebildete Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker*, die genau dazu beitragen. Trotzdem führt Jazz eine Randexistenz und wird weder gesellschaftlich noch kulturpolitisch ausreichend anerkannt und gewürdigt. Gleichzeitig sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Musiker auch im Vergleich zu der Situation in anderen europäischen Ländern schlecht. Diese Situation wollen wir nicht länger hinnehmen. Jazz ist eine Kunstform. Vergleichbar zur ‘E-Musik’ ist die öffentliche Förderung eine zwingende Voraussetzung, um diese über Jahrzehnte in Deutschland gewachsene, wertvolle Musik zu schützen und ihr den Spielraum zu geben, sich weiter zu entwickeln. Wir ergreifen deshalb gemeinsam Initiative für einen starken Jazz in Deutschland.

Im Bereich des Jazz gibt es wirksame überregionale Zusammenschlüsse beispielsweise von Veranstaltern und Plattenlabels. Den Musikern fehlt eine solche zugkräftige, übergreifende und handlungsfähige Vereinigung, mit einer Stimme, die gehört und wahrgenommen wird. Solch eine Musikervereinigung ist jedoch eine der wichtigsten Vorraussetzungen, wenn die Probleme erkannt und benannt, Lösungen gefunden und umgesetzt werden sollen. In der Kulturpolitik wächst derzeit das Verständnis für Jazz. Wir Musiker müssen uns jetzt als zentrale Ansprechpartner zu Wort melden. Alle Bereiche des Jazz, der Szene und des Marktes werden durch solch eine Initiative belebt. Die Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) wurde 1973 mit einem ähnlichen Ziel gegründet. Allerdings kann sie den Anforderungen derzeit nicht mehr gerecht werden. Aus diesem Grund braucht es eine Stärkung der UDJ durch eine neue Generation von engagierten Mitgliedern. Als diese wollen wir uns gemeinsam für die folgenden Ziele einsetzen.

1. Grundsicherung für Musiker

§ Die Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) sollte einen Konzert-Mindestlohn pro Musiker sowie einen Mindestsatz für Unterrichtsstunden empfehlen.
§ Veranstalter, die öffentlich gefördert werden, müssen feste Gagenhöhen einhalten.
§ Darüber hinaus ist es die Aufgabe der UDJ, weitere Mindeststandards zu definieren und bekannt zu machen.
§ Jede Stadt und Kommune sollte sicherstellen, dass ausreichend Proberäume zur Verfügung stehen und diese erschwinglich sind.
§ Wir brauchen eine starke Künstlersozialkasse (KSK), die von der Politik nicht auf den Prüfstand gestellt, sondern ausgebaut wird. Sie bietet selbständigen Künstlern und Publizisten sozialen Schutz in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und ist damit zu einem unabdingbaren Element der sozialen Sicherung geworden.
§ Die KSK muss um eine erschwingliche Rechtsschutzversicherung erweitert werden.

2. Spielstätten

§ Deutschland verfügt über 84 öffentlich geförderte Opern- und Konzerthäuser in 81 Städten. Es sollte ebenso viele öffentlich geförderte Spielstätten des Jazz und der improvisierten Musik geben.
§ Unter diesen Spielstätten muss es mindestens vier feste, voll ausfinanzierte Jazzhäuser geben, die nach dem Vorbild des Bimhuis in Amsterdam durch die Kombination von Konzertbühnen, Proberäumen und Studios zu Zentren des Jazz werden.
§ Jazz aus Deutschland muss im Haupt- und Nebenprogramm der deutschen Festivalbühnen deutlich präsenter werden.
§ Jazzmusiker müssen einen professionellen Standard in Bezug auf Fahrtkosten und Unterbringung erwarten können.

3. Öffentliche Institutionen

§ Wir fordern die Öffnung von öffentlich geförderten Einrichtungen für Jazz und improvisierte Musik, insbesondere von Opern- und Konzerthäusern.
§ Es bedarf einer Kooperation zwischen Jazzclubs/Jazzinitiativen, Opern- und Konzerthäusern, Theatern, Museen und staatlich geförderten Projekten der Alternativkultur bei der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung.
§ Jazz muss in den unterschiedlichsten Sendern und Formaten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rund um die Uhr einen größeren Stellenwert bekommen.

4. Exportförderung

§ In den wichtigen internationalen Metropolen muss Jazz aus Deutschland mit Schwerpunkten vorgestellt werden (vgl. British Music Week, Copenhagen Jazz Festival oder Jazz D’Or in Berlin).
§ Jazz braucht ein unbürokratisches und schnelles Exportförderungsprogramm, vergleichbar dem europäischer Nachbarländer, die bereits jetzt ihren Musikern Fahrtkosten- und Unterbringungszuschüsse zahlen.
§ Das Goethe-Institut ist ein wichtiger und sinnvoller Partner. Es muss seine Aufgabe zur Bewerbung des Jazz und der improvisierten Musik in der Welt in Zukunft noch besser wahrnehmen können.

5. Bildung

§ Jazz und improvisierte Musik haben als Kulturform einen einzigartigen pädagogischen Nutzen und müssen deshalb fester Bestandteil der Lehrpläne in den Schulen sein.
§ Jazzmusiker sollten in Kindergarten und Schule einbezogen werden u.a. über Workshops für Kinder zu Jazz und improvisierter Musik.
§ Jazzclubs und andere Spielstätten sollten Kinder- und Schülerkonzerte veranstalten.

6. Vertretung der UDJ in Institutionen

§ Es muss eine Aufgabe der UDJ sein, über gewählte Vertreter in den relevanten Gremien, die über Fördermittel oder Rahmenbedingungen entscheiden, die Stimme der Jazzmusiker kompetent einzubringen. Dazu zählen beispielsweise GEMA, KSK, HKF, Initiative Musik, Goethe-Institut oder die Lotto-Stiftung.
§ Der Albert-Mangelsdorff-Preis als Preis der UDJ muss gestärkt werden. Er und die durch ihn geehrten Musiker verdienen sehr viel mehr Aufmerksamkeit.

Wir werden eine Union Deutscher Jazzmusiker unterstützen, die sich diesen Zielen verschreibt und sich grundlegend neu aufstellt, um diese Ziele auch erreichen zu können.

Berlin, im Dezember 2011

Erstunterzeichner
Julia Hülsmann, Felix Falk, Philipp Gropper, Uli Kempendorff, Christian Lillinger, Johannes Lauer, Marc Schmolling, Angelika Niescier, Marc Muellbauer, Sascha Henkel, Uwe Steinmetz, Almut Kühne, Jonas Pirzer, Benjamin Schäfer, Nils Landgren, Ernst Bier, Henning Sieverts, Tom Arthurs, Tim Allhoff, Peter Weniger, Heinrich Köbberling, Detlev Beier, Werner Neumann, Klaus Heidenreich, Olaf Rupp, Peter O’Mara, Olli Steidle, Silke Eberhard, Frank Gratkowski, Alexandra Lehmler, Bodek Janke, Olivia Trummer, Rainer Böhm, Thomas Zoller, Gunter Hampel, Christopher Dell, Wanja Slavin, Jan Roder, Nils Wogram, Rainer Tempel, Kalle Kalima, Pascal von Wroblewsky, Dieter Ilg, Joe Hertenstein, Rudi Engel, Robert Landfermann, Gabriel Coburger, Daniel Schröteler, Jörn Marcussen-Wulff, Anke Helfrich, Charlotte Greve, Gerhard Gschlößl, Uschi Brüning, Ernst-Ludwig Petrowsky, Sven Kerschek, Ferdinand von Seebach, Sabine Worthmann, Jürgen Friedrich, Marty Cook, Michael Langkamp, Jonas Schoen, Carl Ludwig Hübsch, Frank Möbus, Axel Dörner, Tobias Delius, Wolfgang Schmidtke, Carsten Daerr, Tina Jaeckel, Michael Gross, Michael Wollny, Eric Schaefer, Pierre Borel

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